Esslinger
Zeitung, 13./14.06.92
von Gaby Weiß
Siegeszug des guten alten Tretrollers
Gruppe des Köngener Jugendhauses startet zur ersten "Roller-Trophy" nach Österreich
Köngen - "Rollerfahrer" oder "Rollerer"? Was die Namensgebung anbelangt, sind
sich die Teilnehmer der ersten Köngener "Roller-Trophy" noch nicht ganz einig.
Einmütigkeit dagegen herrscht darüber, daß am Mittwoch, 17. Juni, gegen 15 Uhr
schön was ins Rollen kommt, wenn eine vielköpfige Gruppe aus dem Köngener Jugendhaus
sich rollernd auf die 300-Kilometer-Strecke nach Dalaas ins österreichische
Klostertal macht: Nach dem Startschuß wird vier Tage lang gerollert, was die
Roller hergeben.
Gefahren wird über
Berg und Tal mit den guten alten Tretrollern. "Mit Vespas oder Motorrollern
kann's ja jeder", lautet die Devise. Und ein echter Roller-Maniac hat so seinen
Stolz. Ein Hilfsmotor ist verpönt und Schieben oder Ziehen nicht erlaubt. Wer
freilich sein Zweirad schnittig tieferlegen will, sich von einem Spoiler bessere
Windschlüpfrigkeit erhofft oder gar mit einem Tandem-Roller ins Rennen gehen
möchte - bitteschön: In Maßen sind Tuning und Frisieren durchaus regelgerecht.
Einer der acht Teams setzt gar auf Marke Eigenbau und startet mit einem selbstentworfenen
hölzernen Roller ins Rennen. Und dieses Gefährt schlägt - wenn man den neidvollen
Blicken der übrigen Fahrer Glauben schenken darf - in Sachen Geschwindigkeit
jedes andere Modell um Längen. Gerollert wird mit sechs bis zehn Leuten je Mannschaft.
Pro Team gibt es einen Roller, der immer fünf Kilometer von einem Gruppen-Mitglied
gefahren wird. Dann sind Ablösung und fliegender Wechsel angesagt, um die Wadenmuskeln
zu entspannen. Eas die Technik des Tretrollerns anbelangt, so hat sich während
der Übungsfahrten herauskristallisiert, daß über die Distanz nur die "beidbeinigen
Rollerer", die abwechselnd das rechte und das linke Bein als "Trittbein" einsetzen,
bei der Roller-Tour eine Chance haben werden.
Nach Erreichen des täglichen Etappenziels warten "Sonderprüfungen der besonderen
Art" auf die Ein-Bein-Fahrer: Wer schafft es, auf einem Brett über die Lauter
bei Buttenhausen zu rollern? Anschieben gilt in diesem Fall nicht, denn drunten
rauscht der Fluß....
Solche Nervenproben werden dafür sorgen, daß die Abstände zwischen den Teams
nicht sehr groß werden. Denn wenn die Roller-Trophy auch mit dem Satz "Wer bremst,
verliert" überschrieben ist und die Unterzeile des Mottos lautet: "Vier Tage
höchste Anforderungen an Mensch, Material und Deodorant" - so steht den Fahrerinnen
und Fahren der Sinn keineswegs nach Kämpfen um Sekunden, sondern nach einer
Mordsgaudi in der Gruppe. Nicht umsonst wird das Tretroller-Abenteuer vom "Verein
gegen unterdrückte Lebensfreude" unter der Leitung des Oberrollerers Jochen
Maier organisiert.
Begleitet wird die Roller-Tour nicht nur von den hoffentlich zahlreich an der
Strecke winkenden Tretrollerfans, sondern auch von Fahrrädern, Autos und einem
Lastwagen, auf den alle Roller aufgeladen werden, falls eine Steigung tatsächlich
mal zu steil wird oder es keine geeigneten Rad- oder Feldwege für die rollernde
Karawane gibt. Ein "Servicewagen" führt neben Bremszügen und -backen, Reifenflickzeug
und Ersatzteilen auch ein Schweißgerät mit. Denn eines haben die Tretroller-Freaks
schon gemerkt: Den im Handel erhältlichen Tretroller für Erwachsene ist in der
Regel nicht allzu viel zuzumuten.
Wer also noch ein älteres Modell Tretroller zu Hause auf dem Speicher stehen
hat: Bei der "Roller-Trophy" käme das gute Stück noch einmal ganz groß raus:
Weitere Teams oder auch Einzelpersonen können sich im Jugendhaus melden.
Esslinger Zeitung,
18./19.07.92
von Gaby Weiß
Bremse weniger wichtig bei der Roller-Trophy
Mit dem Tretroller nach Österreich: Viel Spaß hatten Köngener Jugendliche auf
dem 300 Kilometer langen Weg
Köngen - Zugegeben: Viele hatten zweifelnd die Stirn gerunzelt, als sie vom
neuesten Vorhaben des "Vereins gegen unterdrückte Lebensfreude" im Köngener
Jugendhaus hörten. Bei der ersten "Roller-Trophy" wollten die jungen Leute mit
aufgemotzten Tretrollern die rund 300 Kilometer vom Neckar bis nach Dalaas im
österreichischen Klostertal rollern. Aber die etwa 80 Tretroller-Freaks belehrten
alle Zweifler eines Besseren: Gesund und munter brachten sie ihren gerollerten
Marathon hinter sich - jede Menge Spaß und gute Laune natürlich inbegriffen.
Versehen mit den
guten Wünschen des Köngner Bürgermeisters, den die Tretroller-Fans bei ihrem
"Korso durch den Flecken" kurzerhand rausgetrommelt hatten, kam der Troß aus
Rollern, Fahrrädern, Autos und Service-Lastwagen nach dem Startschuß ins Rollern.
Schon nach wenigen Kilometern - kurz vor Kirchheim - hatte eines der konkurrierenden
Teams die Bremse seines Gefährts durchgetreten und damit Zeichen gesetzt: Denn
vor allem das Material wurde auf den 300 Kilometern einer harten Prüfung unterzogen.
Ob Plattfuß, Rad ab oder Lenkerbruch - die Tüftler und Bastler mit ihren handwerklichen
Tricks waren gefragte Leute.
Was manch besorgte Eltern schrecken mag, ist eine Erkenntnis der Wettkämpfer:
"Die Bremse", versicherten die tapferen Rollerer im Rückblick übereinstimmend,
"ist nicht so wichtig. Viel wichtiger ist eine funktionierende Klingel." Aber
nicht allein die Geschwindigkeit, sondern auch der Komfort der Fahrerinnen und
Fahrer wurde großgeschrieben.
Um die ausgefeilten Trinkflaschenhalterungen, einem komfortabel verbreiterten
Trittbrett, einem zusätzlichen tiefen Lenker (für die Gefällstrecken) und gar
Musik auf dem Roller ließen sich die Etappen durchstehen. Immerhin kamen die
sechs- bis zehnköpfigen Teams jeden Tag gut und gerne auf acht Stunden Fahrzeit.
Da waren es schon eher die "Sonderprüfungen", die so manchen vor Probleme stellten:
Am einen Tag mußte ein Roller getöpfert werden, während am nächsten die Balance-Künstler
in Sachen "Roller-Ball" gefragt waren. Auch bei der Lauter-Überquerung auf einem
schmalen Brett scheuten die Ritter mit den Rollern kaum ein Risiko. Hier war
- beim fulminanten Sturz in den Bach - auch die einzige Verletzung der Trophy
zu beklagen.
Einige hatten sich die Devise "Wer bremst, verliert" zu Herzen genommen und
rollerten ohne Unterlaß. Vier der jungen Leute fuhren 90 Kilometer am Stück
"auf einer Sohle durch". "Da gab's echte Sprinter, denen man auf dem Fahrrad
nicht nachgekommen ist", erzählt "Häuptling" Jochen Maier bewundernd. Star unter
den Tretrollern war unbestritten das hölzerne Gefährt Marke Eigenbau.. Es bestand
den Härtetest mit Bravour, hielt auch über die Tagesetappen Buttenhausen, Aulendorf
und Dornbirn hinaus bis ans Ziel in Dalaas durch. Und als am letzten Renntsg,
nach 230 gerollerten Kilometern, die ersten beiden Teams gerade mal 15 Sekunden
auseinander waren, hatte das hölzerne Gefährt im Ziel sogar den Lenker vorn,
nachdem der Mitkonkurrent um den ersten Platz von einer Reifenpanne zurückgeworfen
wurde.
Bei allem Spaß an der sportlichen Leistung war den jungen Leuten freilich die
Gaudi am Rand des großen Tretroller-Rennens das wichtigste. Begeistert waren
die Köngener von den Reaktionen auf der Strecke: "Ein Töpfer aus Buttenhausen
hat einfach sein Haus aufgeschlossen und uns darin willkommen geheißen", erzählt
Jochen Maier. In Aulendirf durfte die Trippe auf einem Parkplatz kampieren und
kostenlos im Stadtbad schwimmen. In Dornbirn wurden sie nach der Regen-Etappe
vom dortigen Sportverein mit frischen Nußhörnchen und einem feurigen Selbstgebrannten
wieder aufgewärmt.
Wer sich selbst ein Bild von der Roller-Trophy machen möchte: Die Videokamera
war auf der ganzen Strecke mit dabei, und nach den Sommerferien wird die "Roller-Rolle"
im Jugendhaus gezeigt. Sieht man so manchen Tretroller-Fan auch jetzt noch in
Köngen und Umgebung rollern, so haben die jungen Leute fürs nächste Jahr schon
jede Menge neuer Ideen: Ob sie mit dem Hüpfball ans Nordkap hüpfen, von Köngen
nach Paris boulen oder eine Weltmeisterschaft im Hänschen-Piep-Einmal ausrichten
- eines klingt wahnwitziger als das andere. Aber, im Ernst: Hätten Sie geglaubt,
daß man mit Tretrollern 300 Kilometer durchhält?