Esslinger
Zeitung, 04.08.89
von Alexander Maier
Die Köngener Jugendgruppe "Schnullis" hat zwei neue Zelluloidstreifen aus der
eigenen Produktion "im Kasten"
Die cineastische Spaß-Guerilla plant ein Comeback
Spaßiges über Revolte, Aufruhr und Märchenhaftes - Wieder Riesen-Premieren-
Fete wie beim letztenmal geplant
Köngen - Noch in diesem Herbst wollen sich die "Schnullis" eindrucksvoll im
Filmgeschäft zurückmelden: Die Köngener Jugendgruppe, die vor zwei Jahren mit
ihrem Erstling "Destination Suloland" einen Hauch von Hollywood ins Neckartal
geholt hatte, bastelt derzeit an ihrem Comeback. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit
laufen seit vergangenen Herbst die Dreharbeiten für zwei neue Filme - dieser
Tage zeichneten Produzent Jochen Maier und seine Crew die Schlußszenen auf.
Und auch der letzte Drehtag machte deutlich, daß die "Schnulli-Productions"
ihrem Ruf als Spaß-Guerilla in der bierernsten Kinobranche treu bleiben. Auf
einem Gelände an der Wendlinger Halde inszenierten die jungen Filmemacher aus
dem Neckartal vor surrenden Kameras ein quitschfideles Schlammfestival.
"Destination
Suloland" hatte den "Schnullis" auf Anhieb einen Traumstart ins Filmgeschäft
beschert. Nach zahllosen Vorstellungen vor heimischem Publikum ließen Gastspielangebote
nicht lange auf sich warten. Und selbst auf Landes- und Bundesebene ernteten
Jochen Maier und Co. im vergangenen Jahr bei Nachwuchswettbewerben beachtliche
Erfolge. Bei einer Präsentation in Bonn etwa lief die cineastische Nabelschau
aus dem Millieu von Mülltonnen und Jugendszene in der Sparte "Moderne Zeiten"
- hätte der gute, alte Chaplin das noch erleben dürfen...
Vor allem eines hat die Kino-Greenhorns bei ihrem Debut auf glattem Wettbewerbsparkett
beeindruckt: "Unvorstellbar, was einige Kritiker in unseren Film hineininterpretiert
haben. Wir waren total begeistert, als wir hörten, was wir uns angeblich dabei
gedacht haben sollen." Und so ist dfen "Schnullis" auch vor ihrem Comeback im
Herbst nicht bang. Jochen Maier: "Da wird schon wider jemand kommen, der irgendeine
Message rausholt."
Klar, daß die Jungfilmer auch mit ihren beiden neuen Produktionen an die Erfolge
ihres Debut-Streifens anknüpfen wollen. Allzu tief lassen sich die "Schnullis"
zwar noch nicht in die cineastischen Karten schauen, doch zumindest so viel
mochte Jochen Maier verraten: Der eine Film bewegt sich im Millieu von Aufruhr
und Revolte, der andere hat eher märchenhaften Charakter. Und zwischendurch
gibt's auch eine Serie von Video-Clips zu sehen, natürlich alle "Made in Köngen".
Geplant ist wie beim letzten Mal wieder eine Riesen-Premieren-Fete - auch das
gehört für die "Schnullis" zur Freud' am Zelluloid.
Jochen Maier und sein Team setzten wiederum auf Improvisation und allerhand
spontane Einfälle. Auf feste Drehbücher konnten die Jungfilmer getrost verzichten,
die besten Szenen schrieb ohnehin die Situationskomik vor Ort - so als man beispielsweise
im Märchengarten in Ludwigsburg drehte. Da rückten die "Schnullis" mit einer
ganzen Zwergenmannschaft an, als Zwergen-Wächter fungierte "Olli" Valet, der
Hauptdarsteller aus dem Streifen "Destination Suloland". Und der machte mit
seiner grünen Schildmütze offenbar so viel her, daß ihn die Aufseher im Blühenden
Barock gleich beiseite nahmen und um ein Fachgespräch unter Kollegen baten.
Auch diesmal scheuten die Köngener Jung-Kinokometen weder Mühen noch Aufwand:
In einer Berghütte in Österreich entstanden die Szenen eines südamerikanischen
Befreiungskrieges - zuvor wurde der Wald mit allerlei Requisiten in eine stilechte
Bananenplantage verwandelt. Und natürlich mußten Jochen Maiers Eltern wieder
sämtliche Augen zudrücken und ihr Anwesen am Köngener Ortsrand für Dreharbeiten
zur Verfügung stellen: Gemüsegarten und Hecke als Schauplatz eines Dschungelkrieges.
Nur durch solche Kunstgriffe ließ sich die Köngener Low-Budget-Produktion freilich
bewerkstelligen.
Rund
dreihundert junge Leute, die meisten zwischen 19 und 22 Jahre alt, haben nach
Jochen Maiers Schätzungen mehr oder minder intensiv bei den Filmarbeiten mitgemischt.
Die Besetzung wechselte zwar von Drehtag zu Drehtag, doch die zentralen Positionen
im Team waren mit bewährten Kräften besetzt - allen voran der Platz am Kamera-Okular,
den sich Reinhardt Lamparter und Jens Schwarz teilten, die beide schon bei "Destination
Suloland" zum harten Kern der Mannschaft gehört hatten. Eines freilich hatten
Stammpersonal und Statisten gemeinsam: Den Spaß am Filmen und die unverkennbare
Liebe zum witzigen Detail, die den besonderen Reiz jeder "Schnulli"-Produktion
ausmachen.
Nachdem die einzelnen Szenen mittlerweile im Kasten sind, beginnt Jochen Maier
und sein Produktionsteam nun die große Schnippelei: Im Schneideraum werden die
Filmschnipsel erst einmal gesichtet, danach erhalten die beiden Produktionen
ihren Feinschliff. Was am Ende über die Leinwand flimmert, werden die "Schnullis"
erst hinterher wissen. Doch diese Ungewißheit teilen die Jungfilmer wohl mit
allen Kinogrößen dieser Welt.
Esslinger Zeitung, 16./17.12.89
"Schnullis" meldeten sich mit neuen Video-Produktionen im Filmgeschäft zurück
Gags in Serie aus der Kino-Wundertüte
Jugendgruppe macht mit "Commander Frutz" und den "Zwutzels" ihrem Ruf alle Ehre
Köngen/Reichenbach - Premierenfieber in der Reichenbacher "Halle": Nach monatelangen
Dreharbeiten lüftete die Köngener Jugendgruppe "Schnullis" das Geheimnis und
präsentierte ihre jüngsten Video-Produktionen, den Science-Fiction-Streifen
"Star Dreck V - Commander Frutz in Mad Mission" und den Märchenfilm "Zwutzels
- ihr größtes Abenteuer!. Und wie es sich für Jochen Maier und seine Freunde
gehört, geriet die Premierenfeier zur großen Sause. Denn Kinospaß Marke "Schnullis"
ist mehr als nur drei Stunden Dauerglotzen.. Ausgerüstet mit "Zwutzels Partymütze",
die sich als wahre Kino-Wundertüte entpuppte, durfte jeder im Saal mitmachen
wie einst bei der "Rocky Horror Picture Show".
Wer
ein Ticket für die Premierenfeier in der "Halle" gebucht hatte, dem war ein
ganzer Abend hautnah erlebter Kinoathmosphäre sicher. Gleich am Eingang wartete
ein uniformierter "Märchenwart", der jeden Gast auf seine Jux-Film-Tauglichkeit
überprüfte. Nur wer seinem strengen Blick genügte, durfte einen Gummi-Gartenzwerg
erstehen - die Miniaturkopie eines Zwutzels war als stilechtes Trinkgefäß vorbereitet.
Und damit sich die Premierengäste im Zwergenmilieu vollends heimisch fühlten,
gab's nur ein paar Schritte weiter "Zwutzels Partymütze" zu kaufen, die nicht
nur mit allerelei Mitmach-Utensilien gefüllt, sondern auch als modellgetreue,
rote Zipfelmütze inklusive falschem Zwergenbart zu gebrauchen war. Doch damit
nicht genug: Wann immer auf der überdimensionalen Videoleinwand neue Typen und
Gesichter aufteauchten, hieß es auch im Saal "Action". Vom grausig aufgemachten,
einäugigen Brachialzyklopen über Commander Frutz und seine ausgeflippten Future-Freunde
bis zum coolen Camel-Werbemann geisterten all' jene Leinwandhelden durch den
Saal, die auch in den entsprechenden Filmszenen den Ton angaben.
Apropos Camel-Mann:
Wenn die "Schnullis" Kino machen, muß alles bis ins Detail am großen cineastischen
Vorbild orientiert sein. Und so beginnt der Kinoabend auch mit der obligaten
Glimmstengelreklame. Doch die ist wie der Hauptfilm "made in Köngen". Was das
bedeutet, ist jedem "Schnulli"-Fan klar: Jochen Maier und sein Team machen aus
den Plattheiten der großen Werbespot-Vorbilder eine Tugend und versuche, deren
seichte Abenteuerromantik so weit auf die Spitze zu treiben, bis auch dem letzten
die Komik hinter all' den Plattitüden offenbart.
Was sich zu Anfang im Jux-Werbespot andeutet, findet in den Hauptfilmen seine
Fortsetzung: Die neuen Video-Produktionen der "Schnullis" sind noch aufwendiger
geraten als der preisgekrönte Erstling "Destination Suloland". Mit "Zwutzels
- ihr größtes Abenteuer" und "Star Dreck 5 - Commander Frutz in Mad Mission"
machen die Köngener Jungfilmer ihrem cineastischen Ruf alle Ehre. Selbst die
kleinsten Szenen wurden mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Sei es, daß
ein Gebirgswald im Allgäu für eien südamerikanische Revolutionsszene im Dschungel
umfunktioniert wurde, oder sei es, daß ein angejahrtes Auto mit allerlei Röhren,
Glitzerkram und Feuerwerkskörpern zum Raumschiff umgebaut wurde - stets zogen
Jochen Maier und seine Freunde alle Register.
Trotz aller Kinoerfahrung und bei allem Hang zur Perfektion steht für die Jung-Cineasten
der Spaß an der Filmarbeit immer noch im Mittelpunkt. Ein Gag jagt den nächsten,
meist werden die juxigen Ideen mit einem ironischen Augenzwinkern in Szene gesetzt.
Da ist etwa der Streifen "Zwutzels - ihr größtes Abenteuer", den Jochen Maier
und seine Crew mit dem Etikett "Ein Film jenseits von Gut und Böse" versehen.
Erzählt wird die Geschichte der braven Zwutzels, die sich vom Leben nicht viel
mehr erwarten als die tägliche Gartenarbeit. Doch die Idylle der Parade-Gartenzwerge
wird jäh gestört durch die bösen Zwatzels. Und bis beide am Ende wieder in Eintracht
leben, müssen die Zwutzels allerhand Abenteuer bestehen - bis hin zum Rendezvous
mit den erschrecklichen Brachialzyklopen.
Etwas jäh fällt da der Szenenwechsel zum zweiten Spielfilm aus. Denn der ist
in einer fernen Galaxie angesiedelt, wo gerade ein Prix de la Revolution ausgetragen
wird: Alle Jahre wieder muß Commander Frutz, der unerschrockene Raumschiffpilot,
auf Weltraumtour gehen, um einen Planeten im Universum auf seine revolutionären
Qualitäten hin zu prüfen. Diesmal landet Frutz auf der Erde, wo er von Adam
und Eva über den Sturm auf die Bastille bis hin zur Studentenbewegung so ziemlich
alle Revolten der Geschichte erlebt - bis es am Schluß zur großen Katastrophe
kommt...
Mit einem Schuß Selbstironie schreiben Jochen Maier und sein Team in ihrer Einladung
zur Premierenfeier: "Schnulli-Movies, das Geschmackloseste seit der Erfindung
der Grünkernbulette". Und in der Tat tasten sich die "Schnullis" in ihren beiden
neuen Filmen schon 'mal hart an die Grenzen des guten Geschmacks heran. Doch
eines ist gewiß: Auch ihre neuesten Produktionen machen einen Heidenspaß. Und
wenn sich die Jungfilmer auch noch zu einem etwas strafferen Schnitt entschließen
könnten, ist ihr nächster Kinoerfolg schon vorprogrammiert.